Tag 10

Wir haben hier schönsten Frühling mit blauem Himmel und Sonnenschein, die Vögel zwitschern und die Kröten quaken – aber trotzdem ist es still, stiller als sonst, als “vorher”. Es sind merklich weniger Autos unterwegs und es laufen kaum Leute auf der Straße herum. Seit dem 16.03. sind Schulen, Vorschulen und Universitäten geschlossen. An dem Tag haben wir noch Kinder draußen gehört, die “vacances, vacances” gekreischt haben, “Ferien, Ferien”, aber inzwischen kreischt keiner mehr. Tag 10 der Ausgangssperre.

Es sind auch alle Geschäfte geschlossen, in denen nichts Lebensnotwendiges verkauft wird, das heißt: Supermärkte sind weiterhin geöffnet, sowie Apotheken, Banken und Tabac-Läden.

Seit dem 23.03. sind die Ausgangsbedingungen verschärft worden, man darf das Haus jetzt nur einmal täglich für maximal eine Stunde verlassen und sich nicht weiter als einen Kilometer von zuhause entfernen. Seitdem gibt es auch einen neuen “Passierschein”, auf dem nun unter anderem die Uhrzeit angegeben werden muss, zu der man das Haus verlassen hat. Wer keinen Schein dabei hat, zahlt 135 €, und wenn man zum zweiten Mal innerhalb von zwei Wochen erwischt wird, kostet es 1.500 €. Gestern ist ein Polizist an den Folgen seiner Erkrankung mit dem Coronavirus gestorben, woraufhin heute von der Polizei gedroht wurde, dass die Kontrollen nicht weiter durchgeführt werden, wenn den Polizisten nicht genügend Schutzmasken zur Verfügung gestellt werden.

Die Situation zur Zeit ist irgendwie so irreal. Nie im Leben hätte ich mir vorstellen können, das Haus nicht ohne triftigen Grund verlassen zu dürfen. Ständig gibt es Neuigkeiten über einen weiteren Anstieg der Anzahl der Betroffenen, über weitere Tote, und Berichte über Krankenhäuser, die an die Grenzen ihrer Kapazitäten kommen. Ziemlich besorgniserregend, um nicht zu sagen beängstigend.

Testweise habe ich eine Mundschutzmaske genäht (bzw. zwei). So einfache Stoffmasken sind ja kein wirklicher Schutz, aber ich weiß nun, wie es geht, und kann welche herstellen. Also, wenn jemand Bedarf hat …

Die Facebook-Gruppe der Einwohner von Cissac, in der sonst viel Blödsinn zu lesen ist, dient momentan auch als Informationsmedium, dort ist zu erfahren, ob Bäcker, Supermarkt oder Post noch geöffnet sind und zu welchen Zeiten, denn alle haben die Öffnungszeiten sehr eingeschränkt. Außerdem kann man in der Gruppe zur Zeit täglich Live-Konzerten eines Country-Duos aus Cissac beiwohnen. Wir kannten die vorher gar nicht, haben nur manchmal einen Autoanhänger mit der Aufschrift “Leslie Ryan” in einem Vorgarten im Ort gesehen und uns gefragt, wer oder was ist Leslie Ryan? Nun wissen wir es. Die Konzerte finden in Leslies Wohnzimmer statt, und es ist immer witzig, wenn mitten in einem Lied die Tür aufgeht und Leslies kleiner Sohn reinkommt und irgendwas will.

Allerdings gibt es auch Schwachköpfe in dieser Gruppe, die offensichtlich nicht kapiert haben, dass es nicht verboten ist, kurz allein (oder mit jemand aus dem gleichen Haushalt) spazieren zu gehen. Eine Frau hat aus ihrem Garten heraus zwei Spaziergänger gefilmt und beschimpft, sie sollten zuhause bleiben, und dieses Video dann öffentlich gemacht.

Noch ein paar unsortierte Meldungen:

Damit es keine Lieferengpässe gibt, wird seit dem 18.03. in Apotheken nur noch eine Schachtel Paracetamol pro Patient ausgegeben.

Der Sender Canal+, ein Bezahlsender, sendet während der Zeit der Ausgangssperre sein Programm unverschlüsselt. Das las ich und dachte, wie schön, da können wir ab und zu mal nette Filme sehen. Wir nahmen das zum Anlass, endlich mal zu erforschen, warum das französische TV bei uns seit kurzem nicht mehr funktioniert. Die Lösung war simpel, es war einfach der Scart-Stecker aus der Empfangsbox gerutscht. Allerdings funktionierte es auch mit eingestecktem Stecker nicht, der Sender blieb verschlüsselt. Auch dafür habe ich dann eine Lösung gefunden: das unverschlüsselte Angebot gilt nur für Leute, die über eine Internetbox Fernsehen schauen, und nicht wie wir über Antenne. Dann eben nicht.

Der Sender M6 sendet seit dem 23.03. jeden Nachmittag Weihnachtsfilme. Also sowas wie Sissi. Na, ich weiß ja nicht … Ich las dazu den treffenden Kommentar “Die wollen, dass wir uns alle umbringen !”

Die Anzahl von Hunden und Katzen, die abgegeben oder ausgesetzt werden, ist hier in der letzten Zeit enorm angestiegen, da manche Leute sich nicht von ihrem irrigen Glauben abbringen lassen, dass Haustiere das Coronavirus übertragen.

Unsere Tierärztin ist für Notfälle weiterhin da. Allerdings soll man die Praxis nicht betreten; die Tiere werden aus dem Auto abgeholt und anschließend wieder nach draußen gebracht.

Die Post wird jetzt nur noch mittwochs, donnerstags und freitags ausgeliefert.

Da wir in den letzten Tagen gar nicht einkaufen waren, hat Leo Baguettes gebacken. Sie sind ganz hervorragend geworden und schmecken auch nach zwei Tagen noch gut:

In den Blumenbeeten neben dem Weg zum Garten blüht es sehr schön. Ich habe nicht bewusst irgendwas dorthin gepflanzt, die Blumen müssen wohl aus der Samenmischung sein, die ich im letzten Jahr da verteilt habe:

Hier mal aus der Nähe. Ich vermute, es sind Verbenen – oder weiß es jemand besser? :

Auf unserer momentanen Standard-Spazierrunde kommen wir an einer Pferdeweide vorbei. Das Pferd, das da wohnt, hatte im Winter einen Mantel an, und seit ein paar Tagen nicht mehr. Das Fell sieht jetzt witzig aus, als ob ein Mantel draufgemalt wäre:

Im Garten sind die ersten Feigen zu sehen:

Bleibt gesund, liebe Leserinnen und Leser!

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