– Der Vorvertrag

Mittlerweile stand für uns fest, dass wir das Haus in Cissac haben wollten. (Und ich bekam Panik, dass uns wieder jemand das Haus vor der Nase wegschnappt.) Wir hatten uns nach der Besichtigung des edlen Hauses in Pauillac nochmal mit der Maklerin in ihrem Büro getroffen und versucht, den Preis zu drücken. Die Verkäufer waren aber sowieso schon bei dem vorherigen Interessenten mit dem Preis runtergegangen, also war da nichts mehr zu machen. Am nächsten Tag, Freitag, trafen wir uns wieder mit der Maklerin beim Haus, um dort einige Sachen auszumessen, anschließend überlegten wir kurz und heftig nochmal hin und her, entschlossen uns dann endgültig und fuhren gemeinsam zu ihrer Agence, um das Kaufangebot festzumachen.

Dem Kaufangebot mussten nun noch die Verkäufer, eine Erbengemeinschaft von sieben Personen, zustimmen. Bei sieben Personen klappt sowas nicht von einem Tag auf den anderen, also erreichte uns der erlösende Anruf der Maklerin erst, als wir schon fast die Hoffnung aufgegeben hatten, dass alles noch während unseres Urlaubs klappt: An unserem vorletzten Urlaubstag, dem 23. Juli um 14 Uhr, sollte der Termin zum Unterschreiben des Vorverkaufsvertrages beim Notar stattfinden.

Inzwischen waren wir gar nicht mehr im Médoc, denn unsere letzte Urlaubswoche verbrachten wir etwas weiter nördlich in der Vendée bei meinem Bruder. Am Ufer der GirondeAm 23. Juli machten wir uns morgens von dort aus auf den Weg nach Pauillac, und zwar über die kilometermäßig weitere Strecke per Autobahn über Bordeaux, und nicht mit der Fähre von Royan nach Le Verdon, da wir auf der Hinfahrt in die Vendée auf ebendieser Strecke, allerdings in der entgegengesetzten Richtung, drei Stunden im Stau gestanden hatten, um auf die Fähre zu gelangen. (Nebenbemerkung: Das ist nur Samstags während der Ferienzeit so, dass man da stundenlang im Stau steht, aber ich bin nunmal ein Angsthase und wollte alles vermeiden, was dazu führen könnte, dass wir den Termin verpassen.) Wir kamen eine Dreiviertelstunde zu früh in Pauillac an und versuchten, während wir untätig am Ufer der Gironde herumlungerten, unsere Nervosität im Zaum zu halten. Schließlich kauft man nicht jeden Tag ein Haus. Als es dann endlich kurz vor zwei war, machten wir uns auf den Weg zum Notariatsbüro.

Der Notar, «le Maître», war bzw. ist ein kleiner, etwas konfus wirkender, umständlicher Herr mit Brille und ordentlich gescheiteltem Haar. In seinen Büros türmten sich überall auf dem Fußboden Berge von Akten in abgegriffenen Pappdeckeln, die handschriftlich krakelig beschrieben waren mit den Nachnamen der Mandanten. Es gab dort beeindruckende Archivräume, mit Regalen, die eng aneinanderstanden und vom Boden bis zur Decke vollgestopft waren mit zehntausenden von Akten.
Als wir in das Wartezimmer des Notars kamen, saßen da schon drei andere Leute. Wie sich herausstellte, gehörten zwei davon zu den sieben Erben, denen wir das Haus abkaufen wollten. Die Maklerin erschien kurz nach uns auch noch. Dann kam der Notar in den Warteraum, begrüßte alle mit Handschlag, nur mich nicht, dafür den dritten Herrn, der dort saß, aber gar nichts mit der Sache zu tun hatte. Dann gingen wir alle, außer dem unbeteiligten Herrn, in sein Büro. Unser Aufenthalt dort zog sich über eine Stunde hin, in der ständig vom Thema abgewichen wurde, private Geschichten erzählt wurden, der Notar über einen Einbruch in seinem Büro berichtete, etc. Zwischendurch reichte er Blätter herum, die von uns und den Verkäufern einzeln mit Initialen unterzeichnet werden mussten. Ich werde das so bald nicht vergessen, diese Umständlichkeit des Notars, das Hin und Her mit seiner Sekretärin, die irgendwas auf dem Vertrag grün markiert hatte, was gelb markiert hätte sein müssen, überhaupt das ganze Chaos. Einfach zu schön.
Als schließlich alles unterzeichnet war, machten wir den Termin fest zur endgültigen Vertragsunterzeichnung. Ein französischer Notar braucht ca. drei Monate, um bei einem Hausbesitzerwechsel zu prüfen, ob alles mit rechten Dingen zugeht, ob es eventuell jemand anderen gibt, der ein Vorkaufsrecht hat, ob eventuell geplant ist, eine Autobahn oder Eisenbahnlinie durch das Grundstück zu bauen und ähnliches. Daher wurde der Termin auf den 26. Oktober 2009, 10 Uhr, festgelegt, und somit stand auch das Datum für unsere nächste Fahrt nach Frankreich fest.

 
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