(Ein Rückblick, ausnahmsweise von Leo)
Meinen ersten eigenen Umzug habe ich mit einem R4 durchgeführt: zwei Fahrten zwischen Gelsenkirchen und Bochum, ein paar Kilometer – wenn ich etwas vergessen hatte, konnte ich noch mal eben zurückfahren…
Dieses Mal war es schon eine Nummer größer: Nachdem wir in den letzten eineinhalb Jahren bereits achtmal die Strecke mit Anhänger zurückgelegt hatten, fuhren zum „Finale“ zwei Transporter mit großem Anhänger auf. Allen eigenen Bedenken und Unkenrufen zum Trotz schafften wir es, alles rechtzeitig einzupacken, zu verladen und zu transportieren – es war geschafft!
Alles?
Den Nachbarn hier in Cissac sagte ich, daß ich noch mal kurz für ein paar Tage zurückfahre, um den gemieteten Anhänger und die mithelfenden (nicht gemieteten) Kinder zurückzubringen, „nettoyer un peu, aller chercher le reste“…
Im Bewußtsein, daß der Umzug ja schon gelaufen ist, machte ich mich wohlgemut auf den Weg, um die letzten Brücken abzubrechen.
Als ich in das vermeintlich leere Haus in Frankfurt zurückkehrte, ahnte ich noch nicht einmal im entferntesten, was mich die kommenden Tage erwarten würde. In allen Zimmern und Räumen fand ich noch deutliche Spuren menschlicher Besiedelung, Überreste einer vergangenen Wohnkultur.
Wer ahnt, wieviele Ecken ein Haus hat? Mathematisch völlig unbeleckt, könnte ich mir vorstellen, daß man das mit Hilfe der „Infinitesimalrechnung“ ermitteln könnte – ich habe es ganz pragmatisch erkundet: es sind unendlich viele, und bekanntlich sammelt sich in Ecken ja so einiges!
Fortan zählte die tägliche (mindestens einmal täglich!) Fahrt zur Mülldeponie zu meinem Tagesablauf. Ich lernte viel über die Mülltrennung und deren Kriterien (O-Ton FES-Mitarbeiter: „Aber trennste ein bißchen“), lernte eine Menge Leidensgenossen dort kennen. Wegen des französischen Kennzeichens mußte ich immer wieder meinen Frankfurter (Noch-)Wohnsitz nachweisen, lag es doch nahe, daß ich Müll-Export en gros aus Frankreich nach Frankfurt betreibe! Im Wohnzimmer baute ich mir meinen kleinen Wertstoffhof nach: eine Klappbox für Holzabfälle, eine für Hartplastik, eine für Elektroschrott, eine für Verpackungsmüll („Weichplastik“), eine für Pappe usw. Für nicht ganz entleerte Farbeimer war das Schadstoffmobil zuständig, das jeden Tag in einem anderen Stadtteil stationiert ist – das kostete mich eine Fahrt quer durch Frankfurt ans andere Ende.
Eine Woche ohne Stuhl, Nächte auf einer Luftmatratze, der im Laufe der Nacht immer mehr die Puste ausging – da kam Campingplatz-Atmosphäre auf, etwas, was ich mittlerweile gut missen kann. Immerhin hatte ich einen funktionierenden Herd inklusive Backofen zur Verfügung – wer mich kennt, weiß, wie wichtig das für mein Wohlergehen ist. Doch im Laufe der Tage und Nächte nahmen meine kulinarischen Anprüche immer mehr ab.
Ich lernte viel über diverse Reinigungsmittel und ihre Wirksamkeit (manchmal ist teurer auch wirklich besser!), lieh mir einen Teppichreiniger im Baumarkt aus (allein das wäre schon einen eigenen Bericht wert), saugte, schrubbte, wischte Tag und Nacht – im wahrsten Sinne des Wortes.
Meine Gefühle schwankten zwischen Panik, nicht fertig zu werden (zweimal habe ich den Übergabetermin mit den Vermietern verschoben) und Befürchtungen, nicht alles mitzubekommen und beidem gleichzeitig.
Je weiter die Tage voranschritten, desto mehr sank meine Hemmschwelle, mich von allem möglichen (vor allem sperrigen) zu trennen – doch reduzieren wollte das den Berg der mitzunehmenden Dinge nicht wirklich.
Rettung nahte durch Barbaras „kleinen Bruder“, der mir seinen kleinen Anhänger brachte (vielen Dank!) und durch Silke (auch vielen, vielen Dank!), die mir in den letzten Stunden in Frankfurt beistand und mich vor dem Nervenzusammenbruch bewahrte.
So schafften wir es in letzter Minute, fertig zu werden (die letzten Sachen schleppten wir vor den Augen der Vermieter aus dem Haus). Dank Silke und der lieben Nachbarin (auch vielen Dank!), die sich erboten, den restlichen Müll aus der Garage zu entsorgen, blieb mir eine erneute Fahrt nach Frankfurt erspart!
Als die Vermieter bei der Schlüsselübergabe dann auch noch nach den Zimmerschlüsseln und dem Briefkastenschlüssel (im Einfamilienhaus!) fragten, habe ich sie, glaube ich, nur sehr unintelligent angeglotzt…
Schließlich konnte ich den wirklich randvoll beladenen Wagen (ich hatte Mühe, noch zwei Wasserflaschen für unterwegs unterzubringen) besteigen und gemächlich der neuen Heimat und der Abendsonne entgegenzockeln.
An der Landesgrenze wünschte mir ein Schild „Auf Wiedersehen in Hessen“ – na, ich weiß nicht…