45 Stunden

sind eine ganz schön lange Zeit – vor allem ohne Strom. Sind wir hier dem Rest der Welt egal, oder gab es auch in Deutschland Nachrichten wie «Nach schweren Stürmen sind im Südwesten Frankreichs immer noch 18.000 Haushalte ohne Elektrizität»? Wir waren jedenfalls einer dieser 18.000 Haushalte. Freitag abend fing es langsam an, am Horizont zu blitzen, dann kamen die Blitze immer häufiger, und wir sind in den Garten gegangen, um das besser zu sehen. Sah sehr imposant aus, auch wenn das auf dem Foto hier links leider nicht so rüberkommt. Blitze Als es zu heftig wurde, sind wir lieber ins Haus gegangen und haben vom Balkon weitergeschaut. Der Wind wurde auch immer stärker. Gegen Mitternacht fing es an, sturzbachartig zu regnen, es blitzte im Sekundentakt und donnerte am laufenden Band, und der Wind war inzwischen zum Sturm geworden. Wir waren natürlich nicht mehr auf dem Balkon, sondern schauten uns die Naturgewalten durch die Balkontür an. Plötzlich gingen die Straßenlaternen aus, kurz darauf fiel auch der Strom im Haus aus. Da Stromausfälle hier nicht selten sind, haben wir an strategisch wichtigen Stellen Taschenlampen platziert, so dass wir in solchen Situationen nicht völlig blind durchs Haus stolpern. Der Sturm war wirklich Wahnsinn, so etwas habe ich noch nicht erlebt. Der Wind fegte mit einer Mordsgeschwindigkeit, und es war praktisch die ganze Zeit durch die ständigen Blitze hell, der Garten sah sehr bizarr aus in dem Blitzlicht. Irgendwann wurde ich dann zu müde, um weiterzuschauen, und bin ins Bett gegangen – und konnte auch tatsächlich bei dem Windgeheule einschlafen.

Umgefallene Pflanzkübel Am nächsten Morgen schien die Sonne auf all das Unheil, das der Sturm bei uns angerichtet hatte: die Pflanzcontainer vor dem Haus waren umgefallen, die Sonnenblumen um den Gemüsegarten sind umgemäht worden (die Gemüsepflanzen selbst sind glücklicherweise kaum betroffen), und was am schlimmsten ist: von einer der hohen Weiden ist die Spitze komplett gekappt, und Unmengen von Ästen und Blättern liegen überall im Gras.

Ein Baum der Nachbarin wurde entwurzelt, er ist über den Zaun zu uns rübergekippt. Entwurzelter Nachbarsbaum Und Strom war auch noch nicht wieder da. Glücklicherweise haben wir einen Gasherd, und auch unser Espressokännchen haben wir gefunden, so dass der morgendliche Kaffee schon mal gesichert war. Im Laufe des Tages fingen dann überall in der Nachbarschaft um uns herum die Stromgeneratoren zu knattern an. Wir hatten ja auch schonmal überlegt, ob wir so ein Gerät brauchen, aber wir dachten uns damals, wir wohnen ja nicht im Urwald, und so lange wird der Strom schon nicht wegbleiben, dass man so ein Teil wirklich braucht. Jetzt sind wir schlauer (auch ohne Urwald), und unsere nächste größere Anschaffung wird so eine «groupe électrogène» sein. Der Tag verging dann ohne Strom und besondere Vorkommnisse. Am nächsten Morgen gab es immer noch keinen Strom und wieder Kaffee aus dem Espressokännchen. Wir haben einen 200-Liter-Wasserspeicher für das Bad oben und unten, der immer nur nachts heizt. Das Wasser darin war noch lauwarm, so dass ich noch nicht mal kalt duschen musste. Nachmittags sind wir Richtung Pauillac gefahren, da wir bei uns zu Hause auch keinen Handyempfang hatten und wenigstens ein paar SMS verschicken wollten, falls sich jemand Sorgen macht, warum wir nicht zu erreichen sind.

Abgeknickte ÄsteUnterwegs sahen wir die Verwüstungen, die der Sturm hinterlassen hatte, entwurzelte oder abgeknickte Bäume und umgefallene Verkehrsschilder überall.

Gekappte Bäume Umgefallenes Verkehrsschild

Entwurzelte Bäume

Abends um zwanzig nach neun, als wir gerade überlegten, ob wir gleich am nächsten Morgen Richtung Bordeaux fahren, um einen Stromgenerator zu kaufen, hörten wir plötzlich das vertraute Auflade-Piepgeräusch des Telefons in der Küche, und tatsächlich: der Strom war wieder da! Unsere größte Sorge war, dass der Gefrierschrank angefangen hatte, zu tauen, aber glücklicherweise war das nicht so. Das wäre wirklich ärgerlich gewesen, vor allem wegen all der frisch eingefrorenen, vor kurzem geernteten Gemüse.
Am nächsten Tag, also heute, funktionierte ab nachmittags dann auch wieder das Telefon und Internet. Wir haben einiges über die angerichteten Schäden gelesen: in Bordeaux standen der Bahnhof und viele Straßen unter Wasser, in Pauillac, dem nächstgrößeren Ort von uns aus, ist der Glockenturm der Kirche durch die Gegend geflogen und auf ein Haus gestürzt, diverse Campingplätze wurden evakuiert, eine alte Eiche ist auf ein Wohnhaus gefallen, etc. etc. Da sind wir noch vergleichsweise glimpflich davongekommen.
In dieser Gegend kommen solche Unwetter ja ab und zu mal vor, und dieses war das erste, das wir «so richtig» mitbekommen haben. Also allzu bald brauche ich das nicht wieder.
Und eigentlich hatte ich ja statt über Wetterkatastrophen über unseren Anschluss an die Kanalisation berichten wollen, aber das kommt nun erst demnächst.

Kommentare:

  1. Hallo??? Nichts davon gelesen oder gehört in den Nachrichten. Nullkommanix.

    Das klingt ja alles ganz schön ätzend. Ich meine, Stromausfälle haben wir hier selbst im reichsten und modernsten und überhaupt tollsten Bundesland auch alle Nas lang, wenn es denn mal richtig runtermacht, (weil wir halt in dessen ärmster Schmuddelecke leben) aber das ist nach ein paar Stunden wieder gut. (Aber auch wir haben die Taschenlampen strategisch klug im Haus verteilt.. ;-) – aber 48 Stunden, puh, das ist ein Wort. Und egal, wie beeindruckend solche Gewitterstürme sind – ich zumindest kriege es irgendwann mit der Angst zu tun.

    Hoffentlich bleibt Ihr verschont die kommenden Wochen. Bei uns soll es am Wochenende heftig krachen.

  2. Oje, das ist ja beängstigend!
    Da habt Ihr auf jeden Fall noch Glück gehabt, daß z.B. der Baum vom Nachbarn nicht auf Euer Auto gefallen ist und daß Ihr das Dach gerade frisch in Schuß gebracht hattet, sonst hättet Ihr die Sturzbäche womöglich auch IM Haus gehabt. Und überhaupt, daß Ihr und die Katzen alle unverletzt geblieben seid!!

    Erinnerst Du Dich vielleicht noch an den Orkan von 1976, wo neben unserem Haus auf der Stettiner Straße eine der großen Pappeln umgestürzt war? Da saßen wir gerade morgens am Frühstückstisch. Wir hörten erst das Knacken und Knärzen und dann den lauten dumpfen Rums. Das war echt gespenstisch und erst Recht, als wir raus liefen, um nachzusehen, was da los war; es war noch dunkel und man konnte kaum was erkennen. Erst bei Tag konnten wir den riesigen Baum da liegen sehen, dessen Spitze noch das Haus gegenüber getroffen hatte und Scheiben und Rollos kaputt waren.

  3. Jacques hat die stürmische Nacht irgendwo draußen verbracht – am nächsten Morgen stand er fröhlich wieder auf der Matte.
    An diesen Orkan kann ich mich gar nicht mehr erinnern – so was gab’s bei uns??

  4. In der Nacht war Jacques mit Sicherheit keineswegs fröhlich und wäre sicher heilfroh gewesen, im sicheren Haus zu sein. Der Ärmste hat sicher den Schock seines Lebens bekommen und ist bestimmt beim nächsten Gewittergrollen blitzartig im Haus, oder?

  5. Jacques ist ziemlich angstlos und geräuschunempfindlich – du kannst neben ihm staubsaugen, das stört ihn nicht. Letzten Freitag hat es wieder gewittert, da hat er sich auf den Balkon gesetzt und zugeschaut.

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